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Was tun mit dem Schlechtleister?

Berater werden in der Regel geholt, wenn es im Unternehmen oder in einer Abteilung ein Problem gibt. Dieses Problem wird ganz häufig an einzelnen Mitarbeitern festgemacht und deshalb habe ich schon häufiger Gespräche wie dieses geführt:

„Ja, leider funktioniert der Herr XY auf seinem Posten absolut nicht.“, erzählt mir der Produktions-Chef mit bedauerndem Kopfschütteln.

„Aha.“, antworte ich und frage: „An was liegt das aus Ihrer Sicht?“

„Er ist den Anforderungen scheinbar nicht gewachsen. Viele Aufträge werden nicht rechtzeitig fertig oder entsprechen nicht der erwarteten Qualität. Das geht einfach nicht!“, sagt mein Gegenüber achselzuckend.

„Wie lange ist Herr XY denn als Produktionsleiter schon im Unternehmen?“, frage ich weiter.

„Noch gar nicht so lange.“, lautet die Antwort.

„Was war mit seinem Vorgänger?“, bohre ich weiter.

„Ach, die Frau YZ? Mit ihr war es irgendwie dasselbe.“, erwidert der Produktions-Chef und wird selbst ein wenig stutzig …

Schlechtleister – WER ist schuld?

Wenn Sie wie ich die Reaktionen nach der Europawahl beobachtet haben, kommt Ihnen das Muster vielleicht ebenfalls bekannt vor: Wenn etwas nicht so läuft wie gewünscht, ist der erste Reflex der einen Schuldigen zu suchen. So geht die Problemlösung ja auch schön schnell, denn ist dieser Kopf ausgetauscht, wird bestimmt alles wieder gut. Außerdem zeigt man damit Handlungsstärke.

Dieses Verhalten ist weit verbreitet, nicht nur in der Politik und im beruflichen Umfeld. Auch Fußballtrainer können ein Lied davon singen. Nur hilft diese Art der „Problemlösung“ oft weder dem Verein, noch der Gesellschaft noch dem Unternehmen entscheidend weiter. Der Grund dafür ist ein einfacher Denkfehler.

Schlechtleister – WAS ist schuld?

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen immer an derselben Position Angestellte wegen Schlechtleistung austauschen müssen, ist das ein Alarmzeichen dafür, dass es nicht an dem einzelnen Mitarbeiter liegt. Anstatt sofort personelle Konsequenzen zu ziehen, nehmen Sie das lieber zum Anlass, hinter „ die Kulissen“ ihrer Organisation zu schauen. Denn oft sind die Personen lediglich das Symptom, nicht die Ursache. Vielleicht ist Ihre Organisations- und Prozessstrukturen so angelegt, dass die Mitarbeiter so handeln müssen, wie sie es tun? 

Menschen tun, was sie tun, immer aus einem Grund heraus. Stellen Sie sich zum Beispiel einen Vertriebler vor, dessen Bonus streng an den Umsatz gekoppelt ist. Verständlicherweise wird er alles dafür tun, seinen Umsatz in möglichst große Höhen zu treiben. Holt er also einen Drei-Millionen-Auftrag rein, ist er der Hero of the Month. Ob die Produktion und die Montage-Leute überhaupt in der Lage sind, so einen umfangreichen Auftrag  zu stemmen oder ob die Unzufriedenheit des Kunden und der schlechte Ruf am Markt wegen der Lieferschwierigkeiten vorprogrammiert sind – das  muss ihn nicht interessieren. Er ist aus dem Schneider, denn die schlechte Leistung liefern ja andere ab.  Zum Beispiel der oben genannte Produktionsleiter, der nun gehen soll.

Wer ist also schuld, wenn das Unternehmen dabei ins Straucheln kommt? Der Vertrieb, der mehr den Bonus als die langfristige Zufriedenheit des Kunden und die Lieferqualität der Firma im Blick hat? Oder der Produktionsleiter, der die Aufträge nicht rechtzeitig und in der notwendigen Qualität erfüllen kann? Oder …?

Wo liegt das Problem?

Ich sage: Häufig ist das Kernproblem in solchen Situationen im System selbst zu finden. Sie kennen sicherlich den Ausdruck „works as designed“. Das heißt, ich bekomme das, was ich systematisch belohne – in diesem Fall ein Verhalten, das geeignet ist, einen möglichst hohen Bonus zu erhalten – ohne Notwendigkeit, über den persönlichen Tellerrand hinauszublicken und das Gesamtwohl in den Fokus zu nehmen. Das ist ja wohl so gewollt oder nicht? Wie bei strauchelnden Parteien oder dem abstiegsbedrohten Verein ist es in diesen Fällen viel zu kurz gegriffen, nur die Akteure zu wechseln. 

Menschen verhalten sich so, wie das System es erfordert. Und die einzige Option, nachhaltig für Veränderung zu sorgen, ist, das System selbst kritisch zu hinterfragen und an den entsprechenden Stellen einzugreifen. Warum nicht das Bonussystem so verändern, dass es am Erfolg des Unternehmens statt am Teilerfolg durch eine einzige Position hängt? Sprich: Der Vertriebler aus obigem Beispiel profitiert zum Beispiel nur dann von einem großen Auftrag, wenn das Unternehmen  über die gesamte Lieferkette davon profitiert.

Zugegeben: Das erfordert Veränderung und das sorgt immer für eine gewissen Unsicherheit, gerade bei denen, die bisher persönlich davon profitiert haben …

Wo liegt der Verlust? 

„Verlieren wir dann nicht Mitarbeiter, die an dem alten Bonussystem hängen?“, hakt der Produktions-Chef dann auch gleich nach. 

„Ja, das mag sein.“, antwortete ich, „Aber welcher Verlust wiegt schwerer und dient langfristig dem Unternehmenserfolg?, Mitarbeiter zu verlieren, die ausschließlich an ihrem persönlichen und nicht an dem gemeinsamen Erfolg interessiert sind oder eigentlich gute Mitarbeiter, die an schlechten Strukturen scheitern müssen? Gute Vertriebler sollen ja gutes Geld verdienen, aber nicht auf Kosten anderer.“

Unternehmen vermindern durch solche Systemanpassungen nicht nur ihr Risiko, durch falsche Anreize die Existenz des Betriebes aufs Spiel zu setzen. Sie nähren auch das Gemeinschaftsgefühl in der Belegschaft. Und das dieses An-einem-Strang-Ziehen gerade in diesen Zeiten Gold wert ist, brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu erklären.

Also, Schauen Sie deshalb mutig und kritisch auf Ihr System, wenn scheinbar wieder mal ein Mitarbeiter „low performed“ …