Konflikt, Peter Richtsteig, Herz, Konfliktlösung

Im Konflikt mit dem Herzen

Mittagspause, Essenszeit. Karl stellt seinen Salat auf den Kantinentisch am Fenster, den er sich zweimal die Woche mit Maximilian aus dem Vorstand teilt. Zwei Minuten nach ihrer verabredeten Zeit kommt dieser in den Saal. Ein bisschen abgehetzt sieht er aus, als er eilig auf den Tisch zuschreitet. „Mensch, Max du warst aber auch schon mal pünktlicher!“, witzelt Karl und blickt dabei vielsagend auf seine Armbanduhr. Maximilian stoppt mitten im Schritt und seine Gesichtszüge entgleisen.

„Was sagst du da?! Also bitte! Das muss ich mir ja wohl nicht gefallen lassen!“ Maximilian packt seine Aktentasche fester und stürmt an irritiert schauenden Tischnachbarn vorbei zurück zur Tür. Das verdutzte „War doch nur ein Scherz …“ seines Kollegen hört er schon nicht mehr.

Ich wette, Sie kennen ähnlich dramatische Fälle, in denen eine Kleinigkeit, ein unbedachtes Wort einen echten Konflikt lostritt. Was passiert in solchen Momenten?

Mit voller Rage in den Konflikt

Ich habe schon viele solcher Konfliktsituationen voller Emotionalität erlebt und oft laufen sie nach dem genau gleichen Muster ab: Vor lauter Wut eines der Kontrahenten geht er in solchen Situationen davon aus, dass der andere ihm etwas Böses, dass er ihn angreifen will. Wie Maximilian. Diese Emotionalität fließt dann ungefiltert in die Kommunikation ein – sei es mündlich oder schriftlich.

Dabei geraten mögliche Gründe und Handlungsmotivationen, die das Verhalten erklärbar machen könnten, völlig außer Acht. Hier regiert die blanke Wut – die unheimlich viel Porzellan zerdeppert, Vertrauen zerstört und mitunter eigentlich gute Beziehungen gefährlich belasten kann. 

Das Innere in Aufruhr

Solche Konflikte, die bei jedem von uns so heftig ausbrechen können wie ein Vulkan, haben immer mit uns selbst zu tun. Vielleicht haben Sie das auch schon mal erlebt, dass Sie auf besondere Trigger, Situationen, die Sie im Innersten sofort aufwühlen, besonders emotional reagieren. Solch ein innerer Konflikt kann auf den eigenen Werten basieren, die von anderen nicht geteilt werden. Wenn Sie zum Beispiel von sich selbst sagen: „Ich könnte niemals jemanden hintergehen“, aber sie dann von einer guten Freundin selbst hintergangen werden. So entsteht ein innerer Kurzschluss, der sich sofort auch verbal entlädt.

Ich versuche immer wieder, mir das bewusst zu machen und diese Situationen zu hinterfragen. Gar nicht so leicht, aber möglich, wenn es Ihnen gelingt, den Grund für die aufflammende Wut zu ergründen, zu verstehen, was da gerade passiert, und so den Automatismus kurz zu unterbrechen. 

Ohne Konflikt, aber dafür mit Herz

Nehmen wir noch einmal das Bespiel von oben: Maximilian war nicht wirklich sauer auf seinen Kollegen Karl. Er fühlte sich von dessen Bemerkung schikaniert, weil sie ihn an seine Ausbildung erinnerte. Damals kam er gelegentlich etwas später zur Arbeit, weil er vorher seine jüngere Schwester zum Kindergarten bringen musste. Und eine Dreijährige hält eben noch nicht viel von tickenden Uhren. Sein Ausbilder hat Maximilian daraufhin Unpünktlichkeit ins Zeugnis geschrieben – ohne seine gelegentliche Verspätung je zu hinterfragen.

Was kann Maximilian – oder auch Sie – also tun, wenn bestimmte Situationen und Aussagen ihn bis heute triggern und dann zu einer übermäßigen Reaktion verleiten?

Entschuldige!

Zunächst gilt: Schauen Sie hinter die Kulissen. Was macht Sie da eigentlich so wütend? Ist es wirklich die aktuelle Situation – oder doch etwas ganz anderes? Statt Ihr Gegenüber sofort wütend niederzumachen, könnten Sie auch von der Überzeugung ausgehen, dass der Andere Ihnen gar nicht Böses wollte. Dann können Sie Ihren inneren Konflikt respektvoll und ausgeglichen ansprechen, statt gleich einen überdimensionalen Konflikt zu provozieren.

So ist es Ihnen möglich, Ihre alten destruktiven Muster abzustreifen, die auf schlechten Erfahrungen und Verletzungen basieren. Die Trigger, die sich aus Ihrem Gedächtnis anschleichen und Sie ausrasten lassen. Dann können Sie auf Ihr Herz hören.

Wenn Sie lernen, Konfliktsituationen mit der Intelligenz Ihres Herzens anzuschauen, dann handeln Sie wohlwollend gegenüber dem Anderen. Dann bevorzugen Sie Offenheit und einen vertrauensvollen Umgang gegenüber der Konfrontation. Und dann fällt es einem Maximilian sicherlich auch viel leichter, einem Karl zu sagen: „Entschuldige, da vorhin, da war meine Reaktion nicht angemessen.“